11. Juni 2024 — Medienmitteilung

Parlament versenkt wichtigste Massnahme zur Nährstoff- und Pestizidreduktion - was nun?

Der Ständerat ist heute dem Nationalrat gefolgt und hat die Massnahme für 3.5 Prozent Biodiversitätsförderflächen (BFF) auf Ackerland beerdigt. Damit verliert die Schweiz die wichtigste Massnahme zur Nährstoff- und Pestizidreduktion in der Landwirtschaft. Die Politik ignoriert das Artensterben - jetzt braucht es mit einem Ja zur Biodiversitätsinitiative eine Korrektur durch die Stimmbevölkerung!

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Biodiversität
  • Das Parlament bricht sein Versprechen gegenüber der Bevölkerung, welches es im Vorfeld zur Abstimmung über die Trinkwasser- und Pestizid-Initiative abgegeben hatte. Das ist ein Verstoss gegen Treu und Glauben. Er schwächt das Vertrauen in die Politik.

     

  • Angesichts des dramatischen Zustands der Biodiversität fehlt uns die Zeit für weitere Umwege und Debatten. Wenn das Parlament das Reduktionsziel von Pestizid- und Nährstoffen nicht über die 3.5 Prozent BFF erreichen will, müssen dringend alternative Lösungswege eingeschlagen und griffige Massnahmen getroffen werden.

     

  • Die Biodiversität ist die Produktionsgrundlage der Landwirtschaft und im Ackerland akut gefährdet. Gemäss wissenschaftlichen Studien bräuchte es zu ihrem Erhalt mindestens 5 Prozent Biodiversitätsförderflächen. Aktuell machen sie nur 1 Prozent aus.

     

  • Die Entscheidung steht diametral im Widerspruch zu den vielfachen Bestätigungen der Massnahme in der Vergangenheit im Parlament und zum Bekenntnis der Landwirtschaft, sich für die Biodiversität einsetzen zu wollen. Umso mehr braucht es nun die Biodiversitätsinitiative - nicht nur, aber auch die Landwirtschaft muss zur Rettung der Biodiversität beitragen!

 
Eva Goldmann, Landwirtschaftsexpertin WWF Schweiz:
«Der Entscheid zeigt, dass das Parlament momentan nicht bereit ist, innovative Schweizer Bauern bei umweltfreundlichen Produktionsmethoden den Rücken zu stärken.“
 
Marcel Liner, Landwirtschaftsverantwortlicher Pro Natura:  “Nicht nur Feldhasen, Wildbienen, Marienkäfer, sondern auch viele weitere Tier- und Pflanzenarten in der Schweiz sind darauf angewiesen, dass sie im Ackerland Lebensraum finden. Auch die Ernährungssicherheit profitiert dank der Bestäubungsleistung der Insekten und einer  höheren  Bodenfruchtbarkeit.” 

Jonas Schälle, Projektleiter Landwirtschaft, Birdlife Schweiz:
Mit der Abschaffung dieser Massnahme ignoriert das Parlament den dringenden Handlungsbedarf im Bereich Biodiversität im Kulturland. Es gilt nun, das weit vorangeschrittene Insektensterben mit allen Mitteln zu stoppen, gemeinsam für die Natur und eine zukunftsfähige Landwirtschaft.

Barbara Wegmann, Konsumexpertin Greenpeace Schweiz: 
Biodiversität ist kein „nice to have“. Die Bestäubungsleistung von Insekten, die Bekämpfung von Schädlingen durch Nützlinge sowie die Vielfalt von Organismen in Böden, welche die Bodenfruchtbarkeit erhalten, sind entscheidend für die Ertragssicherung und somit für die Versorgungssicherheit.“

Die Schweizer Landwirtschaft muss ihre Nährstoffverluste und das Pestizidrisiko bis 2027 reduzieren – letzteres um 50 Prozent. So will es das Gesetz. Die wichtigste  Massnahme, um dieses Ziel zu erreichen, sähe vor, dass Landwirt: innen auf der Ackerfläche künftig 3.5 Prozent (statt wie bisher nur 1 Prozent) Biodiversitätsförderflächen (BFF) anlegen.
 
Bereits mehrfach wurde diese Massnahme in der letzten Legislatur bestätigt. Nun ist das neu zusammengesetzte Parlament eingeknickt und hat die 3.5 Prozent BFF beerdigt. Damit geht ein breit abgestützter Kompromiss zur Reduktion der Pestizidrisiken- und Nährstoffe ersatzlos verloren. Die Weichen für die Umsetzung waren bereits gestellt.
 
Das Nachsehen haben die fortschrittlichen, innovativen Bäuerinnen und Bauern
Noch im Dezember wurde die Massnahme mit der Annahme der Mo. Friedli um ein weiteres Jahr verschoben und die Verwaltung beauftragt, die Massnahme auf eine pragmatischere Ausgestaltung zu prüfen. Auch der Schweizerische Bauernverband sprach im letzten November noch davon, die Massnahme lediglich «optimieren» zu wollen. Seit Anfang Jahr wurde eine breite Auswahl an Vertreter: innen aus landwirtschaftlichen Kreisen (darunter IP-SUISSE und Bio Suisse), Natur- und Umweltorganisationen, Kantone und Städte angehört. Alle waren sich einig: die Massnahme ist umsetzbar und notwendig. Die betroffenen Landwirt:innen haben sich auf deren Umsetzung eingestellt und wären schliesslich auch jene, denen die Massnahme für die nachhaltige landwirtschaftliche Produktion gedient hätte. Der Entscheid des Parlaments stösst nun genau jene vor den Kopf, die sich für eine fortschrittliche, zukunftsfähige Landwirtschaft einsetzen.
 
Genügend Bestäuber und Nützlinge sichern Erträge
Die 3.5 Prozent BFF wären nicht nur ein wichtiger Schritt, um das Pestizidrisiko und die Nährstoffverluste zu verringern – sie helfen auch das Artensterben in unseren Feldern aufzuhalten. Die Biodiversität in der Schweiz ist in einem sehr schlechten Zustand, ganz besonders auf dem Acker. Dabei helfen mehr Tier- und Pflanzenarten den Landwirtschaftsbetrieben ganz direkt bei der Produktion: So werden Bestäuber gefördert und der Pestizideinsatz kann dank den Nützlingen reduziert werden. Das ist betriebswirtschaftlich sinnvoll. So lautet das Fazit der neusten Studie von Agroscope: «Daher ist es sowohl für die Landwirtschaft wie auch für die Erhaltung der Biodiversität von zentraler Bedeutung, Bestäubergemeinschaften mittels optimierter Bewirtschaftung und gezielten Massnahmen wie Biodiversitätsförderflächen zu schonen und zu fördern.»

Weiterführende Informationen: 
Agroscope: Wie sich die Landnutzung auf Pflanzen und ihre Bestäuberinsekten auswirkt

Schweizerische Vogelwarte: Positionspapier Biodiversitätsförderflächen auf Acker

Schweizerische Vogelwarte: Faktenblatt BFF auf Acker


Kontakte: 
WWF Schweiz: Jonas Schmid, Mediensprecher, jonas.schmid@wwf.ch, 079 241 60 57

Pro Natura: Marcel Liner, Leiter Landwirtschaftspolitik, marcel.liner@pronatura.ch, 061 317 92 40

Birdlife Schweiz: Jonas Schälle, Projektleiter Landwirtschaft, jonas.schaelle@birdlife.ch, 044 457 70 26

Greenpeace Schweiz: Medienstelle, pressestelle.ch@greenpeace.org, 044 447 41 117