Umweltdepartement will keine Grenzwerte für hochgiftige Pestizide
Das Insektizid Deltamethrin gilt als hochgiftig. Trotzdem soll die Landwirtschaft das Mittel weiterhin einsetzen können.

Pestizide und andere Mikroverunreinigungen können das Trinkwasser verschmutzen und Wasserlebewesen schädigen. Mit der Revision der Gewässerschutzverordnung (GSchV) sollen die Gewässer besser vor Pestiziden und ihren Rückständen geschützt werden. Zum Schutz des Trinkwassers und der Biodiversität werden daher strengere Grenzwerte für bestimmte Stoffe festgesetzt.
Die Revision der GSchV beinhaltet eine Aktualisierung des Anhang 2, in dem Grenzwerte für verschiedene Stoffe (u.a. Pestizide) geregelt sind. Bisher wurden diese Grenzwerte generisch bei 0,1 mg/l angesetzt, da dies der niedrigst messbare Wert war. Inzwischen ist seit Jahren eine feinere, und damit risikobasierte Messung möglich, so dass der Toxizität eines Stoffes entsprechend spezifische Grenzwerte festgelegt werden können. Denn im Vergleich zu früher lassen sich die Stoffe heute dank verbesserten Messmethoden risikobasiert messen.
Wie die SRF-«Rundschau» heute berichtet, klammert das Umweltdepartement BAFU nun auf Druck der produzierenden Landwirtschaft bestimmte Wirkstoffe aus – unbesehen der Risiken für die menschliche Gesundheit, das Trinkwasser und die Natur. Es handelt sich dabei um folgende vier Wirkstoffe:
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Deltamethrin ist ein Pyrethroid, also ein Stoff, der bereits in unvorstellbaren Kleinstmengen hochgiftig ist. Pyrethroide sind starke Nervengifte, die Insekten töten, sobald diese mit ihnen in Kontakt kommen. Rückstände wurden in fünf von sechs untersuchten Biotopen von nationaler Bedeutung (darunter Amphibienlaichgebiete und Flachmoore) gefunden, wo die vom Oekotoxzentrum vorgeschlagene chronischen Qualitätskriterien um das 1180fache überschritten wurden.
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Flufenacet wurde im Nov. 24 von der EFSA als endokriner Disruptor klassifiziert. Das Herbizid schädigt also erwiesenermassen das menschliche Hormonsystem. Weiter ist es sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung. Flufenacet wurde bereits vom BAFU als Haupteintragsquelle von Trifluoressigsäure (TFA) in das Schweizer Grundwasser identifiziert. TFA gehört zu den Ewigkeitschemikalien, den PFAS. In sämtlichen Grundwasserproben, die das Bundesamt für Umwelt schweizweit analysieren liess, ist TFA festgestellt worden. TFA verunreinigt das Trinkwasser im ackerbaulich intensiv genutzten Mittelland deutlich stärker als in alpinen Regionen.
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Foramsulfuron ist sehr leicht wasserlöslich und kann sich über weite Strecken in der Umwelt verbreiten.
- Lambda-cyhalothrin ist ein weiteres Pyrethroid (vgl. Deltamethrin). Der Stoff wurde 2021 an 5 von 6 untersuchten Biotopen von nationaler Bedeutung (darunter Amphibienlaichgebiete und Flachmoore) gefunden, wo die vom Oekotoxzentrum vorgeschlagene chronischen Qualitätskriterien um das 18fache überschritten wurden.
Leider reiht sich dieser Vorgang in eine grössere Dynamik ein, welche der Agrarindustrie Interessensvorrang gegenüber gesamtgesellschaftlichen Risiken (Trinkwasser, Gesundheit, Umwelt) geben will. Die letzte grössere agrarpolitische Reform (AP22+) scheiterte in den Räten. Der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative wurde die Pa Iv 19.475 als Versprechen gegenübergestellt, welche das Pestizid-Risiko reduzieren soll. Diese brachte insgesamt drei Verordnungsanpassungen mit sich. Eine davon war nachgerade die Revision der Gewässerschutzverordnung.
Nun wird auf orchestrierte Art und Weise sowohl in der Verwaltung als auch im Parlament alles daran gesetzt diese Errungenschaften der letzten Jahre, die gesetzlich verankert wurden, zu Gunsten der Industrie zu verwässern. Die Pa.Iv. Bregy 22.441 will bis zu 100 Wirkstoffe aus der EU in der Schweiz zulassen, mehr als jedes andere EU-Land oder der Luzernen Nationalrat Leo Müller von der Mitte möchte die Hürden für den Bundesrat erhöhen, bevor er die Zulassung für ein Pestizid überprüfen kann, das unsere Gewässer nachweislich verunreinigt (Motion 24.4589 "realistisches Monitoring für den Gewässerschutz").
Die Schweiz befindet sich bereits jetzt in einer veritablen Chemikalienkrise. Das Parlament soll solche Vorstösse ablehnen, die jede Fortschritte im Gewässerschutz der letzten Jahre verwässern.
Kontakt:
Jonas Schmid, Mediensprecher WWF Schweiz, jonas.schmid@wwf.ch, 079 241 60 57.