Im bedrohten grünen Reich des Ozelot
Begleiten Sie unseren Ozelot auf seinem nächtlichen Streifzug durch den Amazonaswald. Erfahren Sie, weshalb der Amazonas bedroht ist, und wie der WWF mit den Menschen vor Ort für dessen Schutz einsteht.
Ein Einzelgänger im Artenparadies
Lautlos springt er über den vermoosten Baumstamm, vorbei an tiefroten, handgrossen Blüten. Geschickt weicht er Lianen aus und springt über ein plätscherndes Bächlein. Einem Schatten gleich streift er durch den Regenwald, in der Dunkelheit ist er kaum zu erkennen. Nur seine gelben Augen blitzen manchmal im Mondlicht, das fahl durch das dicke Blätterdach dringt. Der Ozelot ist auf nächtlichem Streifzug im Amazonas-Regenwald. Er ist kleiner als der Jaguar, etwas feiner gebaut, doch das schwarz getupfte, gelbe Fell haben sie gemein. Der Ozelot ist nachtaktiv, ein Einzelgänger. Er jagt auf dem Boden und auch im Wasser: Nagetiere, Fische und sogar kleine Kaimane. Auf seinem Streifzug erlebt unser Ozelot den Wald in der Nacht. Er ist nicht allein: Das Summen von Insekten, Kreischen von Vögeln, Rufen von Affen füllen den Wald mit einem Klangkonzert. Der Ozelot fühlt feuchte, raschelnde Blätter unter seinen samtigen Pfoten. Er riecht den moorigen Boden, die moosigen Baumstämme. Der Duft von tropischen Blumen liegt schwer in der Luft. Doch der Ozelot nimmt das alles nur nebenbei wahr. Er ist auf der Jagd.
Zu Hause im Wald
Der Ozelot ist eine der grössten der sogenannt kleinen Katzen, zu denen auch Luchse und Wildkatzen gehören. Ozelote gibt es auf dem amerikanischen Kontinent von der Sonora-Wüste in Arizona bis in die Anden in Argentinien. Unser Ozelot lebt in der Region des Iténez, einem Grenzfluss zwischen Brasilien und Bolivien. Er ist ein Zufluss des Amazonas. Auf der bolivianischen Seite des Flusses ist die Landschaft von dichtem Dschungel geprägt. Diese Gegend ist nur schwer erreichbar, über einen der wenigen Flüge hierhin oder über eine lange Autofahrt. Vor fast 20 Jahren hat die Regionalregierung von Bolivien hier einen Regionalpark gegründet. Der Iténez-Park liegt in der Moxos-Ebene, einer gigantischen Überschwemmungssavanne im zentralen Tiefland von Bolivien. Die Überschwemmungssavanne wird in regelmässigen Abständen natürlich geflutet, bevor sie anschliessend wieder austrocknet. Das Gebiet ist darum ein Hotspot der Biodiversität und Heimat von seltenen Tierarten wie dem Flussdelfin oder dem bis zu 1,7 Meter grossen Riesenotter.
Der Wald der Superlative
Die Tropenwälder unseres Planeten geben uns Luft zum Atmen – und viel Grund zum Staunen. Sie sind ein Lebensraum, der so faszinierend wie bedroht ist. Und für den es sich mehr denn je zu kämpfen lohnt. Entdecken Sie sechs Superlativen aus dem Amazonas:
Bedrohter Amazonas
Unser Ozelot erreicht auf seinem nächtlichen Streifzug den Rand des Dschungel-Dickichts und des Regionalparks. Er hat freien Blick auf eine Lichtung und beobachtet Momente der Zerstörung: Uralte Bäume werden gefällt, zum Trocknen liegen gelassen, später abtransportiert oder verbrannt. Fremdartig aussehende Tiere werden auf diese neuen Lichtungen getrieben, es sind Rinder, für den Ozelot ein neuer Anblick. Würde er auf die brasilianische Flussseite wechseln, sähe er wohl früher oder später auch fremde Pflanzen in geraden Reihen aus dem Boden spriessen, die anders riechen, die den Boden verändern. Dass es sich um Soja handelt, das vor allem für Tierfutter genutzt wird, kann unser Ozelot natürlich nicht wissen.
Tropische Regenwälder wie der Amazonas bedecken nur sieben Prozent der Landoberfläche, beherbergen aber mehr als 50 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten weltweit. Trotz ihres unermesslichen Werts werden jedes Jahr Wälder in ei-ner Grössenordnung von 10 Millionen Hektaren vernichtet, was fast der zweieinhalbfachen Fläche der Schweiz entspricht.
Waldbrände: Ein gefährlicher Teufelskreis
Gerodet werden die Wälder häufig mit etwas, das dem Ozelot unermessliche Angst macht: das Feuer. Rauch liegt in der Luft, die Tiere des Dschungels fliehen in heller Aufregung. Bäume ächzen und knarren und donnern zu Boden, es knistert und blitzt im Wald. Was der Ozelot nicht weiss: Indem Bäume verbrennen, wird CO2 freigesetzt, was wiederum den Klimawandel antreibt. Es wird ein Kreislauf in Gang gesetzt, der dazu führt, dass die Wälder immer trockener werden, sodass die absichtlich gelegten Brände immer häufiger ausser Kontrolle geraten. Dadurch gerät das Klima des Regenwalds langfristig aus dem Gleichgewicht.
Experten befürchten, dass der Amazonas bald einen sogenannten Kipppunkt erreicht: also einen Punkt, ab dem er sich nicht mehr regenerieren kann und seine Zerstörung eine kaum noch aufhaltbare Eigendynamik annimmt. Der Rückzugsraum für unseren Ozelot wird derweil immer kleiner. Überall stösst er auf Weiden und Felder. Der verbleibende Urwald, Inseln gleich, bietet ihm ausserhalb der Schutzgebiete kaum mehr Platz zum Leben.
Wenn wir den Amazonaswald zerstören, zerstören wir nicht nur die Lebensgrundlage von unzähligen Tieren wie dem Ozelot und Millionen von Menschen, sondern jene von allem Leben. Denn der Amazonas ist untrennbar mit dem Weltklima verbunden. Sein Schutz ist eine Notwendigkeit.
Gemeinsam mit den Menschen vor Ort und verschiedenen Partnern entwickelt der WWF Wege, wie der Amazonaswald geschützt und nachhaltig genutzt werden kann. Er unterstützt partizipative Prozesse, bei denen das Mitspracherecht der lokalen Bevölkerung über die Nutzung der Pufferzone um den Regionalpark gestärkt wird. Gemeinsam werden Eingriffe in die Natur wie Fischfang oder Holzschlag geregelt. So fällen die Dorfbewohner Bäume nur noch für den Bau ihrer Häuser, nicht aber für kommerzielle Zwecke. Sie regeln auch die Erntezeit der Paranüsse, sodass für alle Produzenten dieselben Bedingungen gelten und die Paranussbäume nicht übernutzt werden. Gleichzeitig werden die Verarbeitungsmethoden für den Kakao angepasst, damit die Menschen vor Ort mehr und qualitativ hochwertigere Produkte verkaufen und damit ihr Einkommen vergrössern können. Und um Waldbrände schnell eindämmen zu können, hat der WWF in den vergangenen Jahren die Ausbildung von freiwilligen lokalen Feuerwehrgruppen unterstützt.
Mit Partnern auf der ganzen Welt
Und das ist nur ein Projektbeispiel, wie der WWF auf der ganzen Welt mit der Bevölkerung vor Ort die Wälder schützt. Gleichzeitig arbeiten wir mit verschiedenen Partnern aus der Wirtschaft daran, dass Lieferketten für Produkte aus dem Wald nachprüfbar nachhaltiger werden. Und auf politischer Ebene machen wir uns für Schutzgebiete, für die nachhaltige Verwaltung und Bewirtschaftung von Pufferzonen sowie verbindliche Massnahmen gegen die Abholzung und die Klimakrise stark. Unsere Bemühungen wirken: Weltweit werden Waldlandschaften unter Schutz gestellt oder restauriert, und sie wachsen zu neuen, vitalen Lebensräumen heran. Und an immer mehr Orten auf der Welt nutzen Menschen die Wälder nachhaltig, damit sie auch kommenden Generationen erhalten bleiben. Das alles zeigt: Gemeinsam können wir die Heimat des Ozelots und die grüne Lunge unserer Erde erhalten.
Ihre Spende macht den Unterschied
Mit Ihrer Hilfe kommen wir unserer Vision einen Schritt näher – einer Welt mit nachhaltig genutzten, ausgedehnten Wäldern. Das hilft der Artenvielfalt, dem Klima und den Menschen.