
Lebende Dinosaurier: Schutz für Georgiens Störe
In Georgien waren einst sechs Störarten weit verbreitet, die heute durch illegale Fischerei und Lebensraumverlust vom Aussterben bedroht sind. Im Fluss Rioni, einem der letzten Fortpflanzungsgebiete des Störs in Europa, möchte der WWF mit einem Projekt dringend nötige Schutzmassnahmen vorantreiben.
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InternationalNicht ohne Grund werden Störe oft als lebende Fossilien bezeichnet: Die Fische existieren schon seit 250 Millionen Jahren – also schon seit der Zeit der Dinosaurier. Charakteristisch für Störe ist, dass sie lediglich in den gemässigten Breiten auf der nördlichen Erdhalbkugel vorzufinden sind. Obwohl die urtümlichen Fische in Europa einst weit verbreitet waren, sind sie heute aus den allermeisten Gewässern vollständig verschwunden. Neben der Donau ist der Rioni im Westen Georgiens der letzte Fluss Europas, in dem sich wilde Störpopulationen natürlich vermehren.
Der traurige Rekord des Störs
Störe sind laut der Weltnaturschutzunion IUCN die am meisten bedrohte Artengruppe überhaupt. Insgesamt existieren 26 Störarten, wovon zwei Drittel vom Aussterben bedroht sind. Eine weitere Art ist schon ausgestorben. Die stark reduzierten Bestände lassen sich vor allem auf zwei Gründe zurückführen: Einerseits werden Störe stark überfischt, da insbesondere die hohe internationale Nachfrage nach dem Luxusgut Stör-Eier – besser bekannt als Kaviar – den illegalen Wildfang fördert. Andererseits sind Störe durch den Verlust ihres Lebensraumes bedroht. Menschliche Aktivitäten wie Kies- oder Sandabbau zerstören die Laichgründe der Fische. Zudem verhindert der Bau von Wasserkraftwerken ihre Wanderbewegungen zwischen Meer und den Laichgebieten im Oberlauf von Flüssen.
Eine grundlegende Herausforderung für die Planung und Umsetzung effizienter Schutzmassnahmen ist der Mangel an aktuellen wissenschaftlichen Daten zu den Beständen der Störe. Auch müssen die Zusammenhänge zwischen den menschlichen Eingriffen in die Natur und den Auswirkungen auf die Bestände der Störe genauer erforscht werden. Genau hier setzt der WWF mit seinem Projekt an.
Ein wichtiger Schritt in Richtung Störschutz
Der WWF arbeitet in Georgien insbesondere mit Fischersleuten aus den Gemeinden entlang des Rioni, mit Forschenden der staatlichen Ilia-Universität und dem georgischen Ministerium für Umweltschutz und Landwirtschaft (Mepa) zusammen. Gemeinsam führen wir wissenschaftlich fundierte Bestandserhebungen durch. Doch es braucht viel Wissen und Einsatz, um den Stör auf seinen Wanderungen und in den verschiedenen Lebensstadien zu überwachen:
März–April
Das Monitoring der Fischlarven findet im Frühjahr flussaufwärts statt, in der Nähe der Laichgebiete. Es gibt uns Auskunft darüber, ob die letzte Fortpflanzung der Störe erfolgreich war.
Mai bis September
Zwei bis drei Monate nach dem Schlüpfen erfassen die Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter Jungtiere, die sie im unteren Flussverlauf und an der Meeresküste mit dem Netz aus dem Wasser fischen. Dabei bestimmen sie die Störart und führen eine genetische Analyse durch. Zusammen mit weiteren Kennzahlen können so über die Jahre hinweg Abschätzungen zur Populationsstruktur und -grösse gemacht werden.
Oktober-November
Später im Jahr wird eine weitere Erhebung im Meeresgebiet vorgenommen. Wir erhoffen uns hier noch höhere Fangzahlen, um die Populationsgrössen besser abschätzen zu können.
Auch die beteiligten Fischersleute fotografieren und vermessen Störe, die ihnen beim täglichen Fischen unabsichtlich in die Netze geraten und stellen diese Daten dem WWF zur Verfügung. Alle Störe, die für das Projekt gefangen werden, werden nach den wissenschaftlichen Untersuchungen wieder freigelassen.
«Wenn sich die Störpopulationen im Rioni erholen, ist das ein Zeichen dafür, dass es dem ganzen Küsten- und Flussökosystem besser geht!»

Langfristig trägt eine solche Erhebung dazu bei, dass wir die Lebensweise der Störe besser verstehen. Gleichzeitig unterstützen systematisch erhobene Stör-Daten unsere Argumente für die Ergreifung wirksamer Schutzmassnahmen. Denn für den erfolgreichen Schutz des Störs braucht es die Unterstützung der Regierung sowie weiterer Beteiligter, zum Beispiel den Betreibern von Wasserkraftwerken.
Das Projekt trägt wesentlich zur Umsetzung des Paneuropäischen Aktionsplans für Störe bei. Ziel dieses Plans ist es, die Lebensräume der Störe zu erhalten, ihre Rückkehr in ehemalige Heimatgewässer zu fördern und die letzten wildlebenden Bestände zu schützen.
Hier gehts zu einem englischsprachigen Erklärvideo zu dem Paneuropäischen Aktionsplan für Störe (PANEUAP) der EU-Kommission:
Auf lange Sicht ist die Entwicklung eines Schutzprogramms im Rioni geplant, welches in nationale und regionale Entwicklungspläne einfliessen soll. Das Monitoring ist somit ein zentraler Schritt in Richtung eines funktionierenden Störschutzes in Georgien!
Was Sie tun können
Mit Ihrer Spende oder Mitgliedschaft unterstützen Sie das Stör-Monitoring in Georgien, den Erhalt des Rioni-Flusses als Lebensraum und Laichplatz sowie die Wiederausbreitung der Störe. Schützen wir gemeinsam einen der letzten Lebensräume dieser faszinierenden Urfische in Europa!