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Minimalistische Einrichtung, pinker Raum und grüner Stuhl

Suffizienz – Weniger Verschwendung, mehr Zufriedenheit

Die Klimakrise ist die grosse Herausforderung unserer Zeit. Es gibt nur eine Erde, und damit diese langfristig lebenswert bleibt, braucht es einen tiefgreifenden Wandel. Als Gesellschaft und als Individuen müssen wir deshalb neu hinterfragen, was wir wirklich brauchen. Ein Schlüsselbegriff dabei ist Suffizienz.

Dem Mythos nach lebte auf den Hügeln von Korinth einst ein Königssohn namens Sisyphos. Weil er sich mit den Göttern anlegte, wurde er zur Strafe dazu verdammt, einen grossen Felsblock einen Berg hinaufzuwälzen. Das Grausame daran: Immer wenn Sisyphos kurz vor dem Gipfel steht, entgleitet ihm der Felsblock und rollt wieder zurück ins Tal. Deshalb muss sich Sisyphos auf ewig damit abmühen, den schweren Stein den Hang hochzuschieben, ohne je sein Ziel zu erreichen.

Diese Geschichte taugt in mancherlei Hinsicht als Metapher für unsere Zeit. Dank technologischem Fortschritt produzieren wir immer effizienter. Doch anstatt Ressourcen einzusparen, konsumieren wir noch mehr. Unsere Stromproduktion wird dank erneuerbaren Energien immer klimafreundlicher, gleichzeitig aber werden neue Gas- oder Kohlekraftwerke gebaut, um den steigenden Bedarf zu decken. Es kommt einem fast so vor, als ob wir pro zwei Schritte nach vorne wieder einen Schritt zurückmachten.

Aus dieser negativen Spirale müssen wir ausbrechen. Ein wichtiger Schlüssel dazu ist Genügsamkeit oder Suffizienz: mit weniger Ressourcen- und Energieverbrauch (mindestens) gleich zufrieden zu sein.

Nur wenn es uns gelingt, die positiven Effekte technologischer Innovation nicht mit Überkonsum und erhöhter Nachfrage sogleich zunichtezumachen, erreichen wir echten Fortschritt im Klimaschutz.

Geht Suffizienz nur mit Verzicht?

Ungleich dem bedauernswerten Königssohn sind wir nicht von höheren Mächten zum Scheitern verdammt. Wir können unser Schicksal selbst in die Hand nehmen und unseren Lebensstil ändern. Viele Ideen sind schon da. Was es braucht, sind Anreize und Mut, diese auch Realität werden zu lassen. Dass Suffizienz nicht einfach mit Verzicht gleichzusetzen ist, zeigen diese fünf Beispiel.

1. Weniger Arbeiten

Studien zeigen, dass Menschen, die weniger arbeiten und verdienen, in der Regel weniger Treibhausgase ausstossen. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Erstens sinkt der Konsum von treibhausgasintensiven Luxusgütern. Zweitens können Emissionen durch ein reduziertes Pendlerverhalten und mehr Eigenleistung wie reparieren verringert werden. Zentraler Vorbehalt: Die zusätzlich zur Verfügung stehende Freizeit sollten wir nicht mit klimaschädlichen Aktivitäten verbringen. Grundsätzlich aber bedeutet weniger arbeiten mehr Klimaschutz. Genauso wichtig: Die Forschung zeigt, dass weniger Arbeit die meisten Leute zufriedener macht.

2. Weniger Auto, weniger Flugzeug

Erdöl und Erdgas sind wertvolle Rohstoffe. Doch statt sorgsam gehen wir verschwenderisch damit um. Viel zu oft fahren wir mit dem Auto zur Arbeit oder zum Supermarkt, viel zu oft fliegen wir mit dem Flugzeug in den Ferien oder an eine Konferenz. Dabei ist die Verschwendung einer endlichen Ressource nicht einmal das Hauptproblem: Denn die Verbrennung von Öl und Gas ist massgeblich verantwortlich für die Klimaerhitzung. Es liegt nicht vollständig in der Macht des Individuums, das zu stoppen, aber wir können mit dem Velo zur Arbeit fahren, die Freizeitaktivitäten autofrei planen oder auf den Zug umsteigen und so unseren Teil dazu beitragen.

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Mann mit Velo
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Zug im Sonnenuntergang

3. Weniger Geld verschwenden

Es ist bekannt, dass Menschen in unseren Breitengraden viel mehr konsumieren, als Sie brauchen. Lebensmittel verrotten im Kühlschrank, Kleider verschwinden ungetragen in Schubladen und Möbel enden nach kurzer Zeit als Sperrgut. Dieses Verhalten reisst nicht nur Löcher in unsere Portemonnaies, sondern schadet auch dem Klima und der Biodiversität. Unser Überkonsum ist in grossen Stücken für Ressourcenverschwendung und Umweltverschmutzung verantwortlich. Es ist Zeit, damit aufzuhören und nur noch das zu kaufen, was wir brauchen. Die Glücksforschung zeigt, dass weniger Besitz zu erhöhtem Wohlbefinden führt.

4. Weniger Werbung

Dass wir mehr konsumieren, als wir brauchen, ist nicht nur unsere Schuld. Überall, an der Bushaltestelle, von den Gebäudefassaden und im virtuellen Raum leuchten uns bunte Werbeplakate entgegen. Überall werden wir zum Konsumieren gedrängt. So wird ein ständiges Bedürfnis nach mehr geschaffen. Weniger Werbung bedeutetet mehr Ruhe und mehr Raum für eigene Ziele und Interessen.

5. Weniger ungesundes Essen

Tierische Produkte – insbesondere Rindfleisch, Kalbfleisch und Milchprodukte – haben eine sehr schlechte Ökobilanz. Ihre Produktion verschlingt riesige Ackerflächen und stösst Unmengen an Klimagasen aus. Die Lösung: Weniger Fleisch und Milchprodukte konsumieren. Das kommt nicht nur der Umwelt zugute, auch Ihre Gesundheit wird es Ihnen danken. Übermässiger Fleischkonsum führt beispielsweise zu einem erhöhten Risiko für Herzkreislaufkrankheiten. Tun Sie etwas für Ihre Gesundheit und die Umwelt und vermeiden Sie übermässigen Verzehr von Fleisch und Milchprodukten.

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Cows in a cowfarm
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Supermarkt Lebensmittelauslage
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Shibuya-Crossing in Tokio, Japan

Exkurs: Wer muss suffizienter werden?

Unterschiedliche Gruppen haben eine unterschiedliche Wirkung auf das Klima. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung hat zwischen 1990 und 2015 mehr als doppelt so viel CO2 ausgestossen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen. Im Umkehrschluss bedeutet das: Grossverdiener haben eine grössere Verantwortung, etwas gegen die Klimaerhitzung zu tun. Suffizienz spielt dabei eine zentrale Rolle, denn reiche Menschen können sehr viel CO2 einsparen, wenn sie ihren Lebensstil anpassen.

An dieser Stelle ist es wichtig, auf globale Ungleichheiten hinzuweisen. Viele Menschen, die in der Schweiz leben, sind global gesehen sehr reich. Entsprechend haben viele einen überdurchschnittlich grossen Fussabdruck: Würden alle so leben wie die Menschen in der Schweiz, dann bräuchten wir die Ressourcen von knapp drei Erden. Deshalb können die meisten Schweizer:innen ihren Fussabdruck auch einfach reduzieren. Besonders durch unser Reiseverhalten – sei es mit dem Flugzeug oder mit dem Auto – stossen wir nämlich überproportional viel CO2 in die Atmosphäre. Es ist höchste Zeit, unsere Verantwortung wahrzunehmen und damit aufzuhören!

Wie wir suffizienter werden: Die Rolle der Politik

Die Verantwortung für Suffizienz darf nicht nur dem Individuum übertragen werden: Es braucht politische und ökonomische Rahmenbedingungen, Vorgaben und Anreize, um energieschonende Verhaltensänderungen zu unterstützen und zu fördern. Aktivitäten und Produkte mit hohem Energieverbrauch sollten für Produzentinnen und Konsumenten einen Preis haben, der grundsätzlich mindestens die vollen Kosten deckt – auch die Kosten, die für Umwelt und Klimaschäden anfallen. So kann sichergestellt werden, dass nicht die Allgemeinheit für die Folgekosten aufkommen muss.

Ein ausreichend hohes Mobility-Pricing zum Beispiel hilft, die eigenen Mobilitätsbedürfnisse zu hinterfragen. Eine gute Velo- und ÖV-Infrastruktur fördert die Nutzung der umweltfreundlichsten Verkehrsmittel. Einschränkungen für Güter, die im Flugzeug transportiert werden, verkleinern den CO2-Fussabdruck der Ernährung, und angepasste Verkaufssortimente fördern vegane und vegetarische Ernährung. Als Faustregel sollte umweltschonendes Verhalten nicht nur am günstigsten, sondern auch am einfachsten sein. Davon sind wir weit entfernt, und die Politik muss die Rahmenbedingungen neu so setzen.

Das macht der WWF

Seit vielen Jahren setzt sich der WWF für eine klimaverträgliche Gestaltung der Gesellschaft ein. Dazu gehört, dass wir uns an Diskussionen rund um den Schlüsselbegriff der Suffizienz beteiligen. Wir veröffentlichen zum Beispiel Beiträge im WWF-Magazin oder auf unseren digitalen Kanälen. Zum Beispiel: Artikel: «Weniger Material, mehr Sinn»

Wir gehen die grossen Themen an. Zum Beispiel die Frage, ob und wie wir die Wirtschaft klimafreundlich weiterentwickeln können. Zum Beispiel: Dossier: Wege zur Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen

Im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Lebensmittelbranche setzten wir uns gegen Lebensmittelverschwendung und für klimaverträgliche Produktionsweisen ein. Wir prüfen Branchen auf ihre Umweltverträglichkeit. Zum Beispiel die Textilindustrie oder Betriebe, die Gold verarbeiten. Mit unserem Einsatz für Labels und Mindeststandards sorgen wir dafür, dass sich die Konsument:innen ausreichend informieren und verantwortungsvolles Einkaufen überhaupt erst möglich wird.

Unsere Forderungen an die Politik zielen darauf ab, dass umweltfreundliches Verhalten einfacher und günstiger wird im Vergleich zu den umweltbelastenden Aktivitäten.

Was Sie konkret tun können

Damit wir als Gesellschaft suffizienter werden, braucht es auch Sie. Lokale und landesweite Initiativen machen vor, wie Suffizienz geht. Lassen Sie sich davon inspirieren:

  • In Repair Cafés können Sie Dinge flicken lassen – vom Radio bis zum Kinderspielzeug – und damit mithelfen, den Abfallberg zu reduzieren.
  • Prüfen Sie, ob ein Gerät, das Sie anschaffen möchten, nicht besonders viel Energie verbraucht und ob es nicht auch ohne geht. Auch manche Hobbys brauchen mehr Energie als andere. Informationen und Tipps dazu finden Sie auf der umfassenden Energiespar-Liste des WWF.
  • Mit den Stickern von Pumpipumpe auf Ihrem Briefkasten können Sie ihren Nachbarn einfach zeigen, was Sie gern verleihen.
  • Online sind Dinge zum Ausleihen und Mieten auf www.sharley.ch zu finden.
  • In der ganzen Schweiz gibt es Gemüsekooperativen – als Mitglied kann man selbst Hand für lokales Gemüse anlegen. Hier sind Initiativen aus der Deutschschweiz zu finden.
  • Die Seite «Zeit statt Zeug» liefert Ideen für erlebnisreiche, umweltfreundliche Geschenke.
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Frau steht lächelnd am Bahnhof

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Sonne geht hinter der Erde unter

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